Mehr machen mit Linux Mint. Teil 4: Dateimanager Nemo – Grundlagen

In jedem Betriebssystem hat die Organisation von Dateien eine zentrale Bedeutung. Die wichtigste Software in diesem Bereich ist der Dateimanager. Kaum ein anderes Programm nutzt man als Anwender derart häufig, da man ständig bemüht ist, Ordnung zu halten und die Informationsflut zu bändigen. Unter Linux-Mint, Cinnamon, trägt der Standardmanager den Namen „Nemo“. Unter GNOME wurde bereits 2001 eine Dateiverwaltung entwickelt, die sich Nautilus nannte und noch heute (unter der Bezeichnung „Dateien“) dort zu finden ist. Die Linux-Mint-Entwickler waren zunehmend unzufrieden mit der eingeschränkten Funktionsvielfalt, so dass sie 2012 eine eigene Version entwarfen. Der Name Nemo spielt auf den Kapitän an, der in Jules Vernes Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“ den Kurs des U-Boots Nautilus bestimmte (allerdings war der frühere Dateimanager nach einem Meerestier benannt worden, hatte also gar nichts mit dem Buch zu tun).

Dateimanager Nemo pur

In seiner Grundform wirkt Nemo sehr aufgeräumt und wird daher von vielen Nutzern in seinen Möglichkeiten unterschätzt. In der Sidebar links die wichtigsten Ordner oder ein Ordnerverzeichnis, im Hauptbereich die Anzeige der Dateien, oben eine Leiste mit den Verzeichnisebenen und das übliche Kontextmenü für das Verschieben von Dateien oder Änderungen am Dateinamen.

(Grafiken anklicken für Vergrößerungen.)

Egal, ob man von Windows, MacOS oder einem anderen Linux-System kommt – die Grundfunktionen sind vertraut und bedürfen keiner großen Erklärung. Wenn man Nemo aber nur so nutzt, wie man es seit eh und je kennt, verschenkt man viel Potential. Werfen wir daher zunächst einen Blick auf die „eingebauten“ Möglichkeiten.

Der Dateimanager kann mehr

Geteilte Ansicht – Erinnerungen an den „Commander“

In den guten alten DOS-Zeiten war der Norton Commander sehr beliebt (eine heutige Variante: Midnight Commander). Er stellte unterschiedliche Verzeichnisse in einem geteilten Fenster dar, so dass man sehr einfach Dokumente kopieren oder via Drag-and-Drop verschieben konnte. Unter Nemo drückt man einfach auf die F3-Taste – und schon erhält man eine ähnliche Ansicht

Die Darstellungsweise kann in jedem der beiden Fenster getrennt eingestellt werden. Also links beispielsweise eine Dateiliste, rechts Vorschaubilder. Oder links kleine Schrift, rechts (mit dem Zoom-Schalter rechts unten in der Ecke) große Schrift usw.

Tabs und Kombi-Tabs

Eine alternative Ansichtsmöglichkeit bilden Tabs (Alt + T). Damit ist man nicht mehr auf zwei Fenster beschränkt. Dokumente können einfach auf die unterschiedlichen Reiter gezogen werden, wenn man sie verschieben oder kopieren (mit Strg-Taste) möchte.

Fenster und Tabs lassen sich sogar kombinieren, was sich gut für Aufräumarbeiten eignet. Hat man beispielsweise einen Ordner mit unterschiedlichen Scan-Dokumenten, so kann man diesen im linken Fenster öffnen. Das rechte Fenster enthält dann die Tabs „Rechnungen“, „Steuer“ und „Ablage“. Damit muss man sich nicht ständig durch Verzeichnisse hangeln.

Breadcrumb Navigation

Die „Brotkrumen-Navigation“ ist in einigen Punkten der gewohnten Textzeilen-Navigation (../Bilder/Videos/..) überlegen.

Durch die Auswahl von Ordnernamen behält man die Übersicht auch dann, wenn man in tief verschachtelten Verzeichnissen arbeitet. Auch kann man durch Klick auf einen Ordner-Button beliebig zwei oder drei Ebenen „hochspringen“, ohne den aktuellen Unterordner aus dem Auge zu verlieren. Wenn man nur ein kleines Fenster für Nemo zur Verfügung hat, so kann man die Navigation mit den kleinen Pfeilchen links und rechts wie ein Laufband scrollen.

Natürlich benötigt man gelegentlich die übliche Darstellung, um etwa einen Link zu einem Ordner in einer Datei einzufügen. Ein zweiter Klick auf den Ordnerbutton blendet die Zeile ein, oder man nimmt das Icon „Pfadeingabe ein/aus“ in seine Werkzeugleiste auf. Ich verwende meist Strg + L, da dies der gleiche Shortcut ist, den ich auch in meinen Browsern verwende.

Pins und Favoriten

Im Kontextmenü (rechte Maustaste) stehen die Punkte „anheften/lösen“ und „Favoriten“ zur Verfügung. Beide Funktionen können auf Dateien und/oder Ordner angewendet werden. Und beide Funktionen für ein oder für mehrere Elemente genutzt werden.

Das Anheften wirkt wie in Pin in einem Zettel: Die Datei wird ganz oben in der Dateiliste verankert. Gleichzeitig erscheint der Dateiname in fetter Schrift. Favoriten wandern ebenfalls nach oben und erhalten ein Sternchen (die Schrift nicht verändert). Es lassen sich auch beide Funktionen gleichzeitig auf ein Element anwenden:

Das Anheften sorgt für Übersicht in langen Dateilisten einzelner Ordner. So kann man beispielsweise Dokumente, die man gerade bearbeitet, immer oben halten und muss nicht lange mit dem Auge in der Gesamtliste suchen. Favoriten haben einen globaleren Charakter. Sie werden im Abschnitt „Favoriten“ gesammelt – gleich, in welchen Unterordnern sie stecken:

Zudem passen sich Favoriten dynamisch an. Nehmen wir an, ein Dokument „Reisebericht.pdf“ wurde im Verzeichnis „Dokumente“ als Favorit markiert. Später wird das Dokument in den Ordner „Archiv“ verschoben. Automatisch ändert sich der Pfad zum betreffenden Dokument. Klickt man also im Abschnitt „Favoriten“ auf „Reisebericht.pdf“, so wird die Datei geöffnet, obwohl sie verschoben wurde. Ist man sich unsicher, welcher Speicherort hinter einer Datei steht, so kann man aus dem Kontextmenü „Übergeordneten Ordner öffnen“ auswählen. Damit wird der aktuelle Pfad geöffnet.

Favoriten können auch jenseits des Dateimanagers eingeblendet werden. Ein Ort ist das Hauptmenü. Hier werden zusätzlich die Pfade zu den Ordnern bzw. Dateien angezeigt:

Ich selbst nutze besonders gern das kleine Applet, das man in die obere Taskleiste einbinden kann. Dadurch habe ich die Favoriten immer „zur Hand“, auch, wenn Fenster von anderen Anwendungen geöffnet sind:

Lesezeichen

Der Unterschied zwischen Favoriten und Lesezeichen ist gering. In Lesezeichen können zwar nur Ordner und nicht Dokumente aufgenommen werden, dafür können sie in einem gesonderten Abschnitt in der linken Sidebar angezeigt werden:

Während man bei Favoriten zuerst auf den Favoritenbereich klicken muss und erst danach den Ordner öffnen kann, kann man einen Lesezeichenordner mit nur einem Klick öffnen. Ich persönlich nutze die Lesezeichen nicht und klappe den Abschnitt lieber zu, weil ich nicht zu viel „Gewusel“ in der Sidebar haben möchte. Trotzdem können sich Lesezeichen lohnen. Arbeitet man zeitweise an einem bestimmten Projekt – z. B. Vorbereitung eines Workshops – mit unterschiedlichen Vorgängen, so kann man die häufig benötigten Ordner aufnehmen. Oder man hat einen mit anderen geteilten Cloud-Ordner, in den man immer wieder nach Neuzugängen schauen möchte oder selbst neue Dateien zur Verfügung stellen möchte, so kann man dieses Verzeichnis aufnehmen.

Weiterhin können die Namen für die Lesezeichen kurz gehalten werden. Lautet der Name des Ordners eigentlich „../WS2425-Vorlesung-Physik“ so kann man das Lesezeichen kurz und bündig „Vorlesung“ nennen.

Verzeichnisse per Tastenkombination aufrufen

Streng genommen gehört das nur am Rande zum Thema „Nemo“, aber mit systemübergreifenden Tastenkombinationen kann man den Filemanager direkt mit einem bestimmten Ordner starten. Das Thema „Tastenkürzel in Linux Mint“ wird in einem anderen Artikel behandelt, aber für Neugierige: Der Befehl lautet „xdg-open /pfad/zum/ordner“. In Beispiel habe ich mir die Tastenkombi „Strg+Shift+S“ auf den Ordner „Dokumente/Scans“ gelegt:

Farbige Ordner

Nemo bietet im Kontextmenü die einfache Möglichkeit, Ordner farblich hervorzuheben. Sicher sollte man das nicht ständig und überall nutzen – sonst erhält man ein kunterbuntes und damit unruhiges Bild seiner Dateiverzeichnisse. Aber es kann sinnvoll sein, bestimmte Ordner mit immer der gleichen Farbe auszustatten. Ein Archiv-Ordner, den man eher selten nutzt, „verschwindet“ mit einer grauen Farbe etwas aus dem Blickfeld – ein rötlicher Ordnerdeckel kann für aktuelle oder wichtige Verzeichnisse stehen.

Einfach ein Klick mit der rechten Maustaste und die gewünschte Farbe auswählen. Fertig.

Ordner können auch als Verknüpfung auf den Desktop gezogen werden: Strg + Shift ist die Tastenkombination. Alternativ legt man zunächst im Verzeichnis eine Ordnerverknüpfung an und diese anschließend auf den Desktop. Die Farben der Ordner werden nach dem ersten Aufruf der Verknüpfung sichtbar.

Unsichtbares Raster

Dass die Ordner jetzt direkt auf der Bank „sitzen“, das ist natürlich etwas Spielerei. Man kann das aber sehr leicht durch eine Funktion erreichen, die viele nicht kennen: Das unsichtbare Raster, das hinter dem Desktopbild liegt, lässt sich mit zwei Schiebereglern im Fenster „anpassen“ (Desktop, rechte Maustaste) justieren:

Ordner mit höheren Berechtigungen öffnen

Immer wieder kommt es im Alltag vor, dass man für einen Ordner keine Schreibberechtigung hat. In Nemo lässt sich das sehr einfach öffnen: Man ruft das Kontextmenü eines Ordners auf und wählt „Als Systemverwalter öffnen“ – schon hat man Root-Rechte (sonst müsste man im Terminal „sudo nemo“ eingeben). Die Dateiliste wird mit einem roten Warn-Banner versehen, damit man nicht versehentliche Änderungen vornimmt, die sich auf das System auswirken können. Ich benötige die Funktion beispielsweise, wenn ich eine Konfigurationsdatei ergänzen oder ändern möchte. Die kann ich mit meinen Rechten als Nutzer zwar einsehen, aber kann keinen Text eingeben, wenn ich nicht auf Root umgeschaltet habe.

Grundsätzlich kann man in jedem Ordner über das Kontextmenü das Terminal öffnen, das dann direkt auf dem in Nemo ausgewählten Verzeichnis startet. (Eleganter ist es, ein spezielles Terminal innerhalb von Nemo einzublenden. Das kriegen wir im nächsten Artikel, der fortgeschrittene Funktionen von Nemo erklärt.)

Tastenkürzel

Nemo lässt sich über sehr viele Tastenkombinationen steuern. Nützlich ist die Kombination „Strg + n“ für ein weiteres Nemo-Fenster. Auch die Kombination für das Erstellen eines neuen Ordners kann man gut gebrauchen: „Strg + Shift +N„. Wem nun der Kopf schwirrt, der muss sich nur ein Kürzel merken: „Strg + F1„. Damit erhält er eine Schnell-Übersicht auf 3 Seiten angezeigt:

Nemo kann noch sehr viel mehr, daher werden im nächsten Artikel Themen behandelt wie Anpassung der Werkzeugleiste und das Einfügen von eigenen Kontext-Skripten. Und das große Gebiet der Freigabe von Ordnern, Zugriff auf SFTP- und NAS-Server und … und … und …

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