Mehr machen mit Linux Mint. Teil 3: Cinnamon Desktop optimieren
Die Cinnamon-Edition ist die zentrale Desktop-Variante für Linux Mint. Daneben gibt es noch Ausgaben, die weniger Ressourcen benötigen – Xfce und Mate. Diese sind zwar durchaus auch einen Blick wert, aber die meisten Mint-Anwender dürften Cinnamon installiert haben. Eigentlich umfasst der Begriff etwas mehr als die reine Oberfläche, doch um diese werden wir uns im heutigen Artikel hauptsächlich kümmern. Ziel ist es, die Möglichkeiten für eigene Arbeitsabläufe zu nutzen. Ziel ist hingegen nicht, das Aussehen von Windows oder MacOS zu imitieren. Wozu? Jedes System hat seine eigenen Stärken, ein „Verbiegen“ nur um der Optik willen, bringt meist wenig.
Auch ist es nicht das Ziel, mit komplizierten Änderungen der Konfigurationsdateien irgendwelche optischen Spielereien einzurichten, die nur bis zum nächsten Update „hübsch“ aussehen. Dann beginnt die Arbeit von vorne. Nein, es soll darum gehen, die Möglichkeiten, die Cinnamon von Haus aus bietet, zu nutzen, um sich den Alltag zu erleichtern.
Inhalt
Library. Unser prototypischer Desktop
Entlang an einem Desktop-Beispiel kann recht gut gezeigt werden, welche Möglichkeiten in Cinnamon stecken. Man muss nicht alles nutzen, was es da so gibt. Aber oft übersieht man wirklich nützliche Dinge. Hier zunächst ein Screen des fertigen Desktops:
Sichtbar sind die beiden Taskleisten, die Verknüpfungen, die zu Ordnern führen, der Spruch an der Wand und eine Reihe von Icons. Daneben gibt es eine Reihe unsichtbarer Elemente, auf die wir gleich zu sprechen kommen.
Vier Taskleisten, drei Zonen
Die Programm-Leiste unten
Cinnamon kann an jeder Seite der Desktop-Fläche eine Taskleiste aufnehmen. Diese Taskleisten sind wiederum in je drei Zonen unterteilt, die für eine Gruppierung von Icons/Anwendungen sorgen. Sichtbar werden diese Zonen erst, wenn man mit das Kontextmenü einer Leiste aufruft und in den „Leistenbearbeitungsmodus“ geht. Die Bereiche sind dann mit einer transparenten Farbe hinterlegt, die Anwendungssymbole können per Mauszeiger verschoben werden.
Mit diesem Menü kann eine Leiste verschoben werden, z. B. an den Bildschirm-Rand, oder eine neue hinzugefügt werden. Mit dem Menüpunkt „Leisteneinstellungen“ lässt sich das Aussehen der Leiste nach eigenen Vorstellungen anpassen. Für die untere Leiste habe ich eine normale Breite (Abschnitt: „Anpassen“) gewählt, da hier die Symbole für Programme aufgeführt werden sollen, die ich häufig benutze und die möglichst bequem per Klick erreichbar sein sollen. Zusätzlich habe ich aber den Punkt „Leiste intelligent ausblenden“ eingestellt, der dafür sorgt, dass die Leiste verschwindet, wenn ich etwa für die Texterfassung ein Fenster vergrößere. So habe ich mehr platz auf dem Bildschirm. Sind die Fenster hingegen kleiner, bleibt die Leiste sichtbar. Der transparente Hintergrund wird auf anderem Weg erreicht, dazu später mehr.
Die Tool-Leiste oben
Die obere Leiste habe ich hingegen auf „schmal“ gestellt, da diese sichtbar bleiben soll, ohne viel Platz einzunehmen. Auf diese Weise kann man kleine Helferlein problemlos aufrufen, auch wenn man gerade ein großes Fenster einer Anwendung aufgerufen hat.
Diese Tools nennen sich „Applets“ – eine umfangreiche Liste erhält man über das Kontextmenü der Leiste eingeblendet:
Der Katalog an möglichen Tools verbirgt sich hinter dem Reiter „Herunterladen“. Der Reiter „Verwalten“ führt hingegen jene Applets auf, die man bereits geladen hat:
Im Verwaltungsbereich markiert man die geladenen Applets und klickt das Pluszeichen an – damit erscheint das dazugehörige Symbol auf der Leiste – dort kann es an eine beliebige Stelle verschoben werden. Ebenfalls auf dieser Seite befinden sich rechts Zahnrädchen neben den Tools – damit können individuelle Einstellungsmenüs aufgerufen werden, so dass sich die meisten Applets noch genauer justieren lassen.
Ich beschreibe im Laufe der Artikelserie noch näher, welche Werkzeuge ich persönlich für nützlich halte. Ansonsten gilt auch hier: Weniger ist mehr. Die Leisten sollen nicht überladen wirken. Mein Tipp: Wenn man nach einiger Zeit bemerkt, dass man eine Anwendung nur selten anklickt, dann diese entfernen.
Das beschriebene Vorgehen für Applets mit Download, Aktivierung durch Pluszeichen usw. ist identisch mit jenem, das für Aktionen und Erweiterungen von Linux Mint gilt. Am Anfang etwas verwirrend, dass alles an unterschiedlichen Orten ist, doch das Prinzip hat man schnell verinnerlicht.
Für die durchscheinende untere Taskleiste wurde Transparenz mit Systemeinstellungen/Erweiterungen auf die gleiche Weise aktiviert:
Ich bin weder unter Windows noch unter Linux ein Freund der Menü-Hangelei über Kategorien, aber das ist Geschmackssache. Am Standardmenü stören mich die eingeschränkten Möglichkeiten der Suche und die alphabetische Sortierung. Über den eben beschriebenen Weg lässt sich das Menü aber durch umfangreichere Varianten ersetzen – Cinnamenu wäre da mein Vorschlag.
Das Erscheinungsbild lässt sich umfangreich konfigurieren, die Abbildung zeigt nur eine Möglichkeit von vielen. Vor allem kann man in diesem Menü die Kategorien, die wichtig sind, nach oben ziehen, ohne auf die alphabetische Sortierung achten zu müssen. Kategorien und Anwendungen lassen sich beliebig ausblenden, so dass man immer ein aufgeräumtes Gesamtbild hat.
Ebenso kann man die Suche – per Super-Taste bzw. Windows-Taste – mit Besonderheiten versehen. Im Beispiel ist zugleich DuckDuckGo als Suchmaschine eingestellt, man könnte auch Lesezeichen durchsuchen lassen, bestimmte Archivordner usw. usw.
Zwar wird man von der Anzahl der Einstellungsmöglichkeiten bei Cinnamenu etwas erschlagen, aber alles ist sehr übersichtlich aufgebaut. Aus meiner Sicht lohnt es sich, sich einmal 10 Minuten für die Konfiguration zu nehmen – das zahlt sich aus.
Für den Programmstart nutzen viele aber einfach rasch die Supertaste, tippen die ersten Buchstaben ein, z. B. „wri“ für LibreOffice Writer, drücken Enter – und schon startet das Programm. Dafür genügt zwar das Standardmenü oder Cinnamenu, ich nehme allerdings gerne zusätzlich Ulauncher, da sich dieses Tool mit zahlreichen Erweiterungen ergänzen lässt:
Ulauncher kann beispielsweise gleichzeitig eine Websuche einleiten, einen Eintrag in Todoist vornehmen oder eine Markdown-Datei mit kurzen Textschnipseln ergänzen.
Die Möglichkeiten sind sehr umfangreich, vielleicht schreibe ich dazu in einem der nächsten Artikel noch weitere Einzelheiten. Aufrufen lässt sich Ulauncher durch Shortcuts wie Strg + Leertaste.
Aktive Ecken
Auch die vier Ecken des Bildschirms können Aktionen auslösen, wenn man den Mauszeiger in eine entsprechende Position bewegt.
Ich selbst nutze diese Funktion eher selten, da ich vermeide, zur Maus zu greifen – viele wichtige Vorgänge liegen bei meinem Keyboard als Makros oder Shortcuts auf Tasten. Dennoch kann es sich als ganz nützlich erweisen, schnell einen Blick auf alle geöffneten Fenster zu erreichen oder eine Dateisuche in die Wege zu leiten. Mit der Ecke rechts oben starte ich beispielsweise das sehr gute Suchprogramm FSearch, das vergleichbar ist mit Everything unter Windows. Ausgesprochen schnell und mit raffinierten Suchmöglichkeiten in einem umfangreichen Datenbestand ausgestattet.
Für den Programmstart muss einfach nur der Pfad zur ausführbaren Datei bei der gewünschten Ecke eingetragen werden.
Desklets
Hinter Desklets verbergen sich eigentlich nur die guten alten Widgets, die man auf einen Desktop ziehen kann. Auch davon bin ich persönlich nicht unbedingt ein Freund, da ich die Ansicht möglichst „clean“ halten möchte – zu viele Einzelheiten lenken eher ab. Trotzdem ist es sicher gut, wenn man sich die Liste zumindest einmal angesehen hat – vielleicht entdeckt man doch das ein oder andere, was man einsetzen möchte. Bei unserem Beispiel-Desktop ist das wechselnde Zitat oben durch ein solches Desklet realisiert, die Zitate werden aus Textdateien übernommen und je nach eingestellter Häufigkeit eingeblendet.
Für Desklets und Applets gilt: Via Kontextmenü – Klick mit rechter Maustaste – erreicht man direkt die Einstellungen oder kann eine Erweiterung entfernen.
Programmstarter und Verknüpfungen
Icons für den Programmstart und Verknüpfungen zu Ordnern oder Dateien lassen sich recht leicht auf dem Desktop unterbringen. Auch hier sollte man aus meiner Sicht sparsam verfahren – sonst hat man den üblichen Kuddelmuddel, den wir von einem Windows-Desktop her kennen.
Programme lassen sich recht einfach über einen Rechtsklick im Startmenü auf Leisten oder Desktop legen:
Verknüpfungen zu Ordnern kann man via Dateimanager (Nemo) ebenfalls per einfachem Klick auf dem Schreibtisch unterbringen und einfärben – aber da noch ein gesonderter Artikel zum Dateimanagement folgt, erkläre ich das später. So sieht die Sache jedenfalls aus:
Damit man die Symbole frei positionieren kann, klickt man mit der rechten Maustaste auf die Schreibtischfläche und wählt „Anpassen“ aus. In den Einstellungen wird „Automatisch anordnen“ deaktiviert. Größenänderungen, Gitter usw. kann man dort ebenso ändern:
Die so abgelegten Inhalte lassen sich auch per Tasteneingabe auf der Oberfläche suchen – einfach „lostippen“, rechts unten öffnet sich ein kleines Textfenster und das gefundene Symbol wird farblich hinterlegt. Dann kurz Enter für den Start drücken:
Dieser Überblick mag genügen, auf Feinheiten wird in den Folgeartikeln eingegangen. Beispielsweise kann sich ein Menü auf dem Desktop automatisch anpassen, wenn in Nemo Änderungen vorgenommen werden. Oder Symbole für Netzwerklaufwerke lassen sich per Tastendruck einblenden, Skripte auslösen – unendliche Welten stehen dem geneigten Linux-Anwender zur Verfügung 🙂
Serie „Mehr machen mit Linux Mint“
- Teil 1: Einführung
- Teil 2: Hardware
- Teil 3: Cinnamon-Desktop optimieren
- Teil 4: Dateimanagement mit Nemo – Grundlagen
- Teil 5: Dateimanagement mit Nemo – Netzwerk & Co. (in Vorbereitung)
2 Kommentare
Sascha
Vielen vielen Dank für die bisherigen Artikel dieser großartigen Serie, die mich gestern tatsächlich dazu bewegt haben, mein 7 Jahre altes Acer 3 Notebook aus dem Schrank zu kramen. Ich hatte das damals bei Mediamarkt gekauft, um damit zum Ende meines Studiums in der Bibliothek zu sitzen und meine Thesis zu schreiiben. Nachdem ich die fertige Arbeit per Mail an mich selbst geschickt habe, hatte ich den Laptop zugeklappt und seitdem nicht mehr angeschaltet. So fand ich gestern auch mein System vor, als ich es wieder hochgefahren habe.
Ich hatte mich eigentlich von Anfang an über diese Kiste, trotz eigentlich vernünftiger Werte, geärgert. 8 GB RAM immerhin und Intel Core i3 mit 3,2 GHz. Zwar eine gewöhnliche HDD, aber Windows frisst einfach so viele Ressourcen. Vivaldi, Thunderbird und Texmaker hatte ich installiert.
Nichtmal eine Stunde später war das alte System platt und Linux Mint installiert und das System rödelte noch eine Weile mit den Updates. Das Glücksgefühl seit gestern Abend, ein neues System zu haben, endlich einen tatsächlich flotten Rechner für unterwegs oder Zuhause hält bis jetzt an …
Ich bin so gespannt, wie deine Serie weiter geht und hoffe, dass ich die Rechenleistung irgendwie zwischen den Raspberry Pis (mit nextcloud und paperless-ngx) praktisch einbinden kann. Den Backup-Teil damals hatte ich nämlich gekonnt übersprungen und nachdem zuletzt mein Hetzner-Server gehackt wurde, habe ich auch kein zweites paperless mehr. Hier warte ich also gespannt und bis dahin erforsche ich Linux Mint und höre den empfohlenen Podcast. 🙂
Herbert
Danke für Deine ausführliche Rückmeldung! Linux Mint wird Dir sicher Spaß machen – es ist ganz schön leistungsfähig!