Puppy Linux – wenn Geschwindigkeit zählt

Eine Markdown-Schreibmaschine mit Netzwerkordner zum Datenaustausch. Das war meine Projekt-Idee für mein Dell Notebook aus dem Jahr 2007. Nach Möglichkeit sollte man es aufklappen, das Eingabefenster für Texte erscheint, tippen, speichern, zuklappen. Damit tauchte ich ein in die Welt der empfohlenen ressourcensparenden Linux-Distros. Und merkte, dass die Geschichte nicht ganz so trivial ist, wie ich das anfangs dachte.

Prolog

MX Linux hatte ich vor ein, zwei Jahren auf das Notebook gespielt. Ja, lief, aber der Start des Systems und vor allem der einzelnen Anwendungen war quälend langsam. Einmal gestartet war alles okay, aber so machte Linux keinen Spaß. Klar war, dass ich mit 2 GB Arbeitsspeicher und einem Alter des Geräts von 18 Jahren kein Rennpferd erhalten würde. Aber ein wenig schneller sollte es sein. Also ausprobiert: Lubuntu, Bodhi Linux, MiniOS, Bunsenlabs Linux, TinyCore, Q4OS, Linux Lite – sogar nomadBSD. Nach der Installation sahen viele davon sogar richtig modern und attraktiv aus. Doch das Problem der Wartezeiten blieb bei den meisten weiterhin bestehen. Von Puppy Linux versprach ich mir zunächst nicht viel. Ein Linux mit dem Markenzeichen eines Hündchens – was konnte das schon sein? Nach einer Reihe von intensiven Tests muss ich aber sagen: Das System hat mich – positiv – überrascht!

Des Pudels Kern

Genau genommen handelt es sich um einen Chihuahua mit dem Namen „Puppy“, der 2002 dem Projekt den Namen gab. Der australische Entwickler Barry Kauler ist wohl ein Hundeliebhaber, da auch ein Entwicklungssystem von ihm den Namen „Woof“ trägt. Wie auch immer: Die Besonderheit von Puppy ist, dass das komplette System in den Arbeitsspeicher geladen wird und damit bei Start und Ausführung hohe Geschwindigkeiten erreicht. Da es auch auf einfachen und älteren Computern oder Notebooks laufen sollte, wurde bei der Zusammenstellung von Anwendungen für Browser, Mail, Textverarbeitung usw. darauf geachtet, dass diese nicht viel Speicher benötigen.

Mit über 20 Jahren Entwicklungszeit ist Puppy Linux zudem ein „gut abgehangenes“ System, das während des ganzen Zeitraums vorangetrieben wurde. In den Ursprüngen, als man noch CD-Roms benutzte, konnte es sogar auf einem beschreibbaren Laufwerk arbeiten. Bis heute funktioniert es „pur“ auf einem USB-Stick und benötigt im eigentlichen Computer gar kein Speichermedium. Aber anders als bei den üblichen Live-Sticks hat es die Möglichkeit vorgesehen, auch alle Änderungen und Ergänzungen auf dem Stick zu speichern. (Ja, Persistenz kann man bei anderen Distros gesondert einrichten, hier übernimmt das System die Einrichtung automatisch und sorgt sogar für Verschlüsselung.)

Es gibt nicht „das eine“ Puppy Linux. Vielmehr gibt es einige Hauptvarianten, weiterhin Nebenvarianten und dazu unzählige Mini-Varianten von Anwendern (Einzelheiten auf der Homepage). Denn mit wenigen Klicks kann jeder sein eigenes Puppy Linux basteln und weitergeben (die Weitergabe ist sogar ausdrücklich erwünscht). Ich nutze hier eine der Hauptvarianten, die auf Debian 12 basiert:

Hol das Stöckchen! Über die Geschwindigkeit des Systems.

Wie schnell ist denn nun schnell? Bei meinem wirklich alten Dell-Notebook vergeht vom Bootvorgang bis Systemstart samt Aufruf eines Markdown-Editors (via Autostart) etwa 1:20 Minute (mit MX-Linux waren es drei bis vier Minuten). Auf meinem 4 Jahre alten HP-Notebook mit 8 GB dauert es 24 Sekunden. Auf diesem spielt Zeit auch keine Rolle – alle Programme starten sofort nach dem Klick. Bei dem älteren Modell klappt es bei den meisten Programmen ähnlich schnell, bei manchen dauert es mal ein paar Sekunden. Aber das ist kein Vergleich zur Wartezeit bei MX Linux von ein bis zwei Minuten je nach Anwendung. Hier mal ein kurzes Video von meinem alten Dell aufgenommen:

Es geht sogar noch schneller, wenn man die Variante Vanilla-Dpup mit Debian Trixie nutzt. Aber wie gesagt: Wenn man etwas bessere Notebooks hat, gibt es praktisch keine Verzögerungen mehr.

Was kann er denn so? Handelt es sich um ein vollständiges Linux-System?

Prinzipiell: Ja. Sicher, Systeme wie Linux Mint oder Ubuntu sind umfangreicher, können verschiedene zusätzliche Paketformate wie Flatpak und Snap verarbeiten usw. Da man aber auf den Debian-Vorrat zugreifen kann und auch Appimages klappen, ist man reichlich zumindest mit den gängigen Programmen versorgt.

Bei den Hauptvarianten erhält man zudem ein „dickes“ Paket vorinstallierter Anwendungen. Meist kann man Puppy Linux einfach starten und muss gar nichts installieren: Browser, Mail, Tabellenkalkulation, Textverarbeitung, Bildbearbeitung, Screenshot-Tool, Kalender, Aufgabenplanung, Netzwerkeinrichtung – alles ist von Anfang an dabei. Die Grundausstattung ist überraschend „üppig“:

Natürlich sind da nicht direkt „große“ Programme dabei, damit auch wirklich alles in den Speicher passt. Standard ist oft Abiword statt Libre Writer oder das Mailprogramm Claws Mail statt Thunderbird. Aber wenn man eine Software wie zum Beispiel Audacity benötigt, so kann man diese problemlos nachinstallieren. Die Grenzen sind natürlich erreicht, wenn man jetzt alles mit allen Abhängigkeiten aufnehmen möchte, was man so von den üblichen Systemen kennt: Videoschnitt plus Gimp plus LibreOffice plus digiKam plus … Bei meinem kärglichen 2-GB-Speicher wäre das zu viel – wer aber ein System mit 4 GB oder sogar mit gigantischen 8 GB RAM benutzt, der kann erweitern, ohne dass es auf Kosten der Geschwindigkeit geht.

Wie sieht es mit seinem Aussehen und seinen Fähigkeiten aus? Kann man ihm da etwas beibringen?

Man kann tatsächlich sehr viel konfigurieren – sowohl beim Design als auch bei den Einstellungen. Klar – verglichen mit KDE-Plasma oder Linux-Mint muss man da in der Eleganz Abstriche machen, manche Tools wirken auch etwas altbacken – aber insgesamt ist alles aus meiner Sicht immer noch recht gut anzuschauen.

Weiterhin lassen sich viele Justierungen vornehmen, Tools und Einstellmöglichkeiten sind reichlich vorhanden. Allerdings läuft nicht alles so simpel, wie man es von großen Linux-Systemen kennt: Für die Einrichtung meiner Netzwerk-Drucker-Scanner-Kombi musste ich zusätzliche Befehle eingeben – bei meinem Linux Mint wurde hingegen alles auf Anhieb erkannt. Immerhin, mit ein paar Minuten zusätzlicher Arbeit kriegt man es schon zum Laufen (und jede Menge uralt-Hardware wird dafür auf Anhieb erkannt).

Versteht er sich denn mit anderen?

Alte Geräte nimmt man ja auch oft für Sync- und Backup-Aufgaben. Umgekehrt kann die Verbindung zu anderen Computern den „dünnen“ Speicherplatz auf dem Ursprungsgerät ausgleiche (mein Dell hat nur 64 GB Speicherplatz). Wie macht sich also Puppy Linux im Netzwerk? Ausgesprochen gut. Zwar erfolgt die Einrichtung nicht via Dateimanager, man muss zwei zusätzliche Tools nutzen. Die Eingabemasken sind aber derart einfach gestrickt, dass dieser kleine Umweg in der Praxis kein Problem darstellt. Wenn ich also an meinem Markdown-Dokument Ergänzungen vorgenommen habe, so ist die Datei über ein Netzwerk-Laufwerk umgehend auf den anderen Geräten zugänglich.

Generell ist das Einhängen von Speichermedien kein Problem. Steckt man einen USB-Stick oder eine USB-SSD an, so wird das umgehend erkannt und man kann sofort auf das Speichermedium zugreifen.

Zum junge Hunde kriegen. Pupplets für unterwegs und zur Weitergabe.

Puppy Linux speichert Änderungen und Ergänzungen, die man während des Betriebs vorgenommen hat, in einem Archiv-Bereich. Diesen kann man auf Wunsch auch verschlüsseln. Den Ort des Archivbereichs kann man selbst definieren – also beispielsweise direkt auf dem USB-Stick, wenn man von dort Puppy Linux gestartet hat. Das bedeutet, dass man sein angepasstes System vollständig auf dem Stick hat. Damit kann man an jedem beliebigen anderen Computer ohne Installation seine eigene Umgebung starten. Da sich alles im RAM abspielt, wird auch nichts auf dem Gast-System gespeichert – gut, wenn man beispielsweise im Büro, bei Freunden oder im Urlaub sein Linux anwirft. Wer es noch sicherer haben möchte, der kann sich die Variante „EasyOS“ anschauen, die vom gleichen Entwickler stammt und Puppy Linux sehr ähnlich ist. Dort wird alles in einer Sandbox/in Containern ausgeführt.

Dieses Verfahren hat noch weitere Vorteile: So kann man sehr einfach Backup-Sticks erstellen oder vorkonfigurierte Versionen an Kollegen/Mitarbeiter weitergeben. Und: Man kann und darf diese Anpassungen auch öffentlich als Download bereitstellen, so dass in den vielen Jahren unzählige sogenannte „Pupplets“ entstanden sind, die etwa ihr eigens Design oder ihre individuelle Toolsammlung zur Verfügung stellen. Die Tools zur Erstellung bringt das System mit – einige Klicks genügen:

Auf diese Weise könnte ich etwa ein Image meiner „Markdown-Schreibmaschine“ erstellen, die Editor, Netzwerkverbindung, Wallpaper usw. hat und auf meiner Homepage als „MarkBone Pupplet“ zur Installation anbieten 🙂

Sollte ich mir einen zulegen? Fazit

Für meinen „alten Knochen“ ist Linux Puppy genau das richtige System. Ich will damit ja nicht viel machen – aber dass nun alleine schon der Browser per Klick startet, erleichtert viel. Fast alle anderen Programme gehen ähnlich schnell – und wenn ich mal 5 bis 10 Sekunden warten muss, dann kann ich auch damit leben. Es gibt erstaunlich viele Puppy-Fans, von denen viele ihr System sogar als Hauptsystem auf neuen Computern benutzen.

Wer bereits mit Linux vertraut ist, der wird sich mit einer kleinen Lernkurve begnügen können, da es nur wenige Dinge sind, die bei Puppy ein wenig anders laufen. Empfehlen würde ich es aber nur bedingt für Leute aus der Windows-Welt, da man doch die Tool etwas kennen muss, damit man nicht zu sehr rätselt. Allerdings: Wenn man ein Keller- oder Flohmarkt-Notebook hat und nicht sofort darauf angewiesen ist, dass man alles beherrscht, so kann Puppy ideal für den langsamen Einstieg sein. Hat man es einmal installiert, kann man Anwendungen wie Browser, Mail und Textverarbeitung ja sofort nutzen. Und in die restlichen Feinheiten arbeitet man sich ein, wenn man Zeit hat.

2 Kommentare

  • tomtom

    Danke für den schönen Artikel. Ich bin Tatsächlichkeit der Suche nach einem einfachen persistenten live usb boot System. Die Ansätze die ich bis jetzt gesehen habe sind entweder doch recht kleinteilig kompliziert oder bekomme ich nicht hin ( also archinstall z.b.) deshalb bin ich gespannt ob puppy für mich das erfüllen kann. Ich möchte dann gleich noch keepassxc drauf haben. Mein Interesse ist geweckt.

    • Herbert

      Dann sollte Puppy Linux für Dich genau richtig sein. Hier musst Du Dich praktisch nicht selbst um das Anlegen persistenter Bereiche bemühen im Unterschied zu anderen Distros. Puppy Linux fragt einfach beim ersten Herunterfahren, ob Du einen solchen Bereich haben möchtest. Fertig. KeepassXC sollte sich mit einem Klick installieren lassen.

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