DAS BUCH
Für Eilige: Das Konzept in wenigen Sätzen
- Entrümpelung: Bei vielen Anwendern hat sich im Laufe der Jahre ein wahres „Daten-Gebirge“ angesammelt, das sich oft über viele unterschiedliche Verzeichnisse und Speichermedien erstreckt. Die meisten dieser Dateien sind veraltet und werden nie mehr angeschaut – sie versperren aber den Blick auf wichtige und aktuelle Information. Mit möglichst wenig Aufwand werden all diese Daten in ein R.I.P.-Archiv verschoben.
- Strukturierung: Alle anderen Daten werden in nur drei Bereichen aufbewahrt:
- Einem Dokumenten-Archiv (z. B. für Unterlagen, Steuer, abgeschlossene Projekte).
- Einem Prozess-Bereich (alle laufenden Vorgänge, die noch nicht abgeschlossen sind).
- Einem Nachschlage-Bereich (Informationen, die man immer wieder benötigt).
- Erfassung: Vorschläge für das Erfassen und Speichern neuer Information, die nicht in Form von Dateien vorliegt (z. B. Scan-Methoden oder Speicherung von Web-Informationen).
- Automatisierung: Eine Reihe von Tools erleichtern den künftigen Pflegeaufwand der neuen Struktur: Neue Scans werden automatisch im korrekten Archiv-Bereich eingeordnet, typische „Sammelordner“ wie etwa der Download-Ordner werden überwacht und sortiert, wenn ein Team-Kollege eine Datei via Dropbox oder Google-Drive zur Verfügung stellt landet diese automatisch an der korrekten Stelle im aktuellen Prozess-Bereich usw. usw.
- Sicherung: Es wird eine einfache Strategie vorgestellt, die nicht nur ein sehr sicheres Backup ermöglicht, sondern es gleichzeitig erlaubt, wie durch eine „Zeitmaschine“ jede frühere Version einer ausgewählten Datei zu reaktivieren.
- Unabhängigkeit: Das Konzept funktioniert prinzipiell auf jedem Betriebssystem in jeder Version – also auf Windows und Mac (das meiste auch unter Linux). Man kann jederzeit das System wechseln oder gleichzeitig von unterschiedlichen Systemen pflegen. Wenn man sich also z. B. in 5 Jahren von Windows auf Mac oder umsteigt, muss man nicht von vorne beginnen. Man „hängt“ sein bisheriges System in die neue Umgebung ein und fährt nahtlos fort.
So, und jetzt etwas ausführlicher, um zu zeigen, welche Überlegungen dazu „unter der Haube“ angestellt wurden.
Vorgeschichte: Evernote – ein gutes Tool mit Grenzen
Über viele Jahre war ich auf der Suche nach Möglichkeiten, die ständig wachsende Menge von Information in den Griff zu kriegen: Von einfachen Tools über Wikisysteme und Datenbanken habe ich viel ausprobiert – mit allem war ich nicht sonderlich zufrieden. Insbesondere „verschwanden“ Informationen immer wieder auf geheimnisvolle Weisen im „Dateien-Dickicht“ meiner Festplattenverzeichnisse – oder schlicht aus meinem Kopf („Wo habe ich XY gespeichert? Hatte ich das schon mal aufgehoben? Ist es noch auf irgendeiner Sicherungsplatte?“).
Schließlich stieß ich vor einigen Jahren auf Evernote und war sofort begeistert von der großartigen Suchfunktion: Egal, ob ich eine handschriftliche Notiz fotografiert hatte, meine Unterlagen per Scanner archivierte oder für die Lehre an der Hochschule Materialien aufbewahrte – alles wurde von nun ab gefunden und konnte mit sehr geringem Pflegeaufwand aufbewahrt werden (momentan, Herbst 2017, umfasst mein Evernote-Archiv ca. 16.000 Dokumente).
Diese Erfahrungen führten schließlich zu meinem Evernote-Buch, dessen zweite Auflage ich vor drei Jahren abgeschlossen habe. Im Zuge dieses Buchs entstand eine recht große Google+ Community mit ca. 3.000 Mitgliedern („Evernote DE“), ein Flipboard-Magazin mit rund 8.000 Lesern („Evernote und mehr“), der Twitter-Account „@evernotetipps“ hat etwa 1.400 Follower. Und in meinem Blog „Evernote für Pfiffige“ (http://notieren.de) sind inzwischen über 600 zusätzliche Tipps versammelt.
Aber kein Werkzeug eignet sich für alles und jeden. Viele haben mich nach Alternativen gefragt. Die Bedenken, die häufig geäußert wurden:
- Was passiert, wenn man viel Arbeit in die Pflege einer Software investiert – und diese plötzlich aufgekauft wird oder vom Markt verschwindet?
- Was ist, wenn ich später einmal das Betriebssystem wechsle oder durch ein Update die bisherige Software nicht mehr funktioniert?
- Was ist mit sensiblen Daten? Die Nutzung der Cloud bedeutet, dass meine Dokumente auf einem fremden Server gespeichert sind. Wenn diese Server in den USA stehen (Evernote hat Google-Server gepachtet), habe ich ein unsicheres Gefühl.
- Ich bin kein IT-Profi und verliere rasch die Lust, wenn ich einen großen Pflegeaufwand betreiben muss. Auch habe ich nicht die Selbstdisziplin, um Tages- und Wochenpläne einzuhalten oder täglich Papier zu scannen.
- Meine Zeit für die Datenpflege ist begrenzt. Mir ist ein pragmatischer Weg, der nicht in allen Punkten perfekt ist, lieber als ein Weg, der technisch perfekt sein mag aber zu umständlich für meinen Alltag ist.
Solche und andere Überlegungen habe ich als Ausgangspunkt für das Konzept von „Digital Cleaning“ genommen.
Zielsetzungen des Buchs
Vorab: Ich wollte kein typisches „Ratgeber“-Buch schreiben nach dem Motto „Hier erhalten Sie die 10 Regeln, die Sie zu einem Informations-Ninja machen!“. Oder: „Wenn Sie diese 3 Geheimwaffen kennen, werden Sie Ihr Informationschaos meistern!“. Oder: „Hier erfahren Sie die Tages- und Wochenpläne, die schon tausende zu einem glücklichen und erfüllten Leben geführt haben!“
Es sollte ein nüchternes Buch werden. Ein pragmatisches Buch. Ein undogmatisches Buch. Sicher auch eins, das tatsächlich hilfreich ist und Anregungen für den Umgang mit Information liefert. Aber eher als Hilfe für eigene Konzepte, die zum eigenen Alltag auch wirklich passen – und nicht als fertige Rezepte, die man nur ankreuzen muss und alles wird gut.
Dazu habe ich mir selbst einige Ziele gesetzt:
- Die Verfahren sollten unabhängig vom verwendeten Betriebssystem einsetzbar sein. Egal, ob man Windows oder Mac verwendet, ob man via Android oder iOS das System unterstützt – das Kernkonzept sollte immer und überall anwendbar sein. Auch, wenn man plötzlich seine Hard- oder Software wechselt. (Beispielsweise können auf dem Mac und unter iOS Dateien Etiketten und Farben erhalten. Eigentlich eine feine Sache für eine Dateiorganisation. Aber nutzlos, wenn man z. B. im Büro mit Windows arbeiten oder einen Bereich via Cloud-Server pflegen muss.)
- Es sollte keine Abhängigkeit von einem bestimmten Tool entstehen – weder von Evernote noch von OneNote noch von DevonThink oder einem anderen Dokumentenmanagementsystem. Was nicht bedeutet, dass man nicht zur Unterstützung des eigenen Systems eine Reihe von Tools einsetzen kann.
- Zum Punkt Tools: Das Kernsystem sollte prinzipiell „von Hand“ gepflegt werden können. Aber es besteht ja keine Notwendigkeit, alles selbst zu machen, wenn man Bereiche von kleinen „Helferlein“ automatisiert bedienen lassen kann. Bedingung: Diese Tools müssen sich bewährt haben und „ersetzbar“/austauschbar sein, wenn einmal ein Tool vom Markt verschwindet. Nach Möglichkeit sollte das Tool auch gleichzeitig unter Windows und Mac einsetzbar sein. Und als Bonuspunkt sollte es nichts oder nur ein paar Euro kosten (ist mir bis auf wenige Ausnahmen gelungen).
- Sofern es um Fragen der Datensicherung geht, sollte jeder selbst entscheiden können, welchen Weg er wählt: Ob heimische Speicherplatten, ob NAS oder Netzlaufwerke oder ownCloud, deutsche Anbieter oder bekannte Dienste wie Google Drive oder Dropbox – machbar ist prinzipiell alles mit allem, wenn man weiß, mit welchen Tools man zum Beispiel eine sichere Verschlüsselung erzeugen kann.
Das besondere Ziel: Umsetzbarkeit für den Alltagsanwender
Eins wurde durch die eingangs erwähnten Gespräche relativ rasch deutlich: Alle Vorschläge müssen rasch einsichtig sein und ohne zu große Lernkurve umsetzbar sein. Beispielsweise bleibe ich im Buch durchgängig bei einem einzigen Verschlüsselungsverfahren (AES-256,) das als sehr sicher gilt und sich bewährt hat. Jemand aus der IT-Branche würde noch zig andere Verfahren kennen, Kombinationen vorschlagen, Vorkehrungen für den Fall treffen, dass der Cache nicht während des Runterfahrens des Computers ausgelesen werden kann usw. usw. Mir war in diesen Fällen wichtiger, dass ein Vorgehen rasch verstanden wird und mit wenig Aufwand betrieben werden kann. Ein anderes Beispiel sind die vorgeschlagenen Backup-Strategien: Sie sind einfach und lassen sich leicht automatisieren. Komplexer und komplizierter geht immer, mag auch für Unternehmen wichtig sein, aber eine gute Strategie, die umgesetzt wird, ist besser als eine super-perfekte, für die man über IT-Kenntnisse verfügen muss.
Was ich auf der anderen Seite auch nicht wollte: Ein Buch für den absoluten Laien schreiben. Fast alle Leser dürften etliche Jahre Erfahrung mit digitalen Informationen haben und die Basics beherrschen. Ich schreibe also nicht: „So, jetzt suchen Sie links oben den Druckbefehl, beim Mac rechts unten, dann rufen Sie die Seitenvorschau auf …“ usw. In Menüs einen Punkt zu finden, ist für den durchschnittlichen Computer-Anwender auch ohne Buch machbar und würde nur zu einem ermüdenden Leseerlebnis führen. Bei wichtigen/unbekannteren Vorgehen mache ich eine Ausnahme: So beschreibe ich bei einem Windows-Backup-Tool das Vorgehen für die Speicherung in der Cloud in Einzelheiten (während ich mir das für die einfache Mac-App „Time Machine“ erspare, da diese sehr leicht zu bedienen ist und den meisten Mac-Anwendern bekannt sein dürfte).
Ich habe also versucht, einen „mittleren“ Weg zu gehen: Die meisten Leser werden bereit sein, sich mal an einem regnerischen Sonntagnachmittag mit einem Verfahren oder einem Tool vertraut zu machen, wenn es sich auszahlt und man nicht ständig einen hohen Aufwand mit der Pflege solcher Verfahren hat.
Der „Rote Faden“
Unterm Strich ging es mir um die Abbildung eines „Kreislaufs“ der Informationspflege, der die wichtigsten Aspekte abdecken sollte:
- Das Entrümpeln alter Information, um überhaupt einmal wieder einen freien Blick auf die wesentlichen Daten zu erhalten.
- Die Strukturierung vorhandener Information auf einem möglichst universellen Level, sprich: Durch Verzeichnisse und durchgängige Dateibenennungen einen Ausgangspunkt für strukturierte Information zu erhalten.
- Die Schaffung von Archiven, die der „zeitlosen“ Aufbewahrung von wichtigen Informationen dienen (z. B. Dokumente, die für eine spätere Steuererklärung notwendig sind).
- Die Schaffung von systematischen Dateistrukturen, die bei aktuellen Projekten den Überblick ermöglichen.
- Die neuen (oder persönlichen Bedürfnissen angepassten) Strukturen zu nutzen für
- bessere Resultate bei Suchvorgängen und
- für die automatisierte Erfassung von Information.
- Scanner und Smartphone-Apps für die Erfassung von Papier-Information so zu nutzen, dass neue Information möglichst automatisiert am gewünschten Ort landet.
- All diese Mühe lohnt sich nur, wenn man die Organisation seiner Information auch „sichert“. Und zwar gegenüber möglichst vieler alltäglicher Schadensfälle: Eine Festplatte geht kaputt, ein Gewitter lässt das externe USB-Speichermedium durchschmoren, Wasserschäden machen Hardware unbrauchbar, ein Trojaner verschlüsselt plötzlich ganze Festplatten und Netzwerklaufwerke. Dabei beschreibe ich ein Backup-Verfahren, das auch in einfacheren und häufigeren Alltagsproblemen hilft: Die Word-Datei „Quartalsaufstellung.docx“ hatte ursprünglich eine wichtige Tabelle, die man vor zwei Wochen versehentlich und unbemerkt gelöscht hat? Inzwischen wurde die Datei schon 4 x geändert und gesichert? Kein Problem: Einfach auf einem „Zeitstrahl“ zurückfahren und sich die Tabelle aus der Vergangenheit besorgen.
Von der Entstehung über die Erfassung bis hin zur Sicherung von Daten sind mit diesen Punkten die Basics einer alltagstauglichen Strategie abgedeckt.
Aber natürlich bedeutet Informationen mehr, als dass man nur Daten strukturiert. Daher geht es in dem Buch auch um die Erfassung von Notizen, um die Sichtung großer Foto-Archive, um das konzentrierte Verfassen von Texten mit Markdown, um die Einrichtung eines Passwort-Tresors usw.
Möglichkeiten der Erweiterung
Kein System leistet alles für alles Fälle – dazu sieht der (Informations-)Alltag von uns allen zu unterschiedlich aus. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie man Information strukturieren kann, wie man seine eigenen Suchstrategien entwickeln oder sein eigenes Themenarchiv konzipiert. Auch erscheinen ständig neue Tools, die Möglichkeiten von Computern und Smartphones werden immer umfassender usw. Im Blog „Digital Cleaning“ möchte ich daher Tipps zu weiteren Verfahren, Tools und Konzepten geben. Und ich bin auch zuversichtlich, dass viele Anwender in der Google+ Gruppe „Digital Cleaning“ eigene Ideen einbringen werden.